Englischunterricht!

„MISTER TIN“, heißt es mittlerweile. Weg sind Säge, Hammer und die Werkstatt: stattdessen arbeite ich jetzt mit der Tafel und dem Englischbuch im Klassenraum. 32 meiner anfänglich 40 Englischschüler, aufgeteilt auf zwei Kurse: einer morgens und einer am Nachmittag, beanspruchen zurzeit meine volle Widmung an der Arbeit. Dabei schätze ich mich sehr glücklich, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein: die geplante Zusammenarbeit Hogar de Cristos mit JWL (Jesuit Worldwide Learning) fiel mir nämlich direkt in den Schoß!

JWL ist eine globale Partnerschaft, um Hochschulbildung für Menschen aus schwierigen Lebenslagen bereitzustellen. Sie begann im Dezember erstmalig in Ecuador die Zusammenarbeit mit meiner und 3 anderen Organisationen, wofür ich mit zwei Kollegen nach Coca im Urwaldgebiet eingeflogen werden durfte, um an einem Seminar teilnehmen. Dieser wurde von Sprachlehrern geleitet, die aus den USA und der Schweiz ins Land eingeflogen waren. Auch uns erstellten sie die Flüge. Meine erste Dienstreise also!

Sehr bald wurde klar, dass ich den Unterricht halten würde, da meine Kollegen, die selber schon länger Unterricht in anderen Gebieten wie etwa Robotik und Software machen, sich Englischunterricht nicht zutrauen. Dies kam mir gelegen, da ich, wie manche von euch wissen, auch selber überlege in Deutschland Englischlehrer zu werden. Das Englischniveau ist hierzulande leider recht niedrig, wie ich z.B. beim Seminar den anderen Englischlehrern entnahm. Logisch: alle benachbarten Länder sprechen ja auch Spanisch! So wurde das Projekt von Anfang an zu meinem kleinen Baby und ich machte mehrere Online-Schulungen, einen Cambridge-Test, organisierte die Einstufungstests, half bei der Kommunikation zwischen HDC und JWL und bereitete mich im Allgemeinen auf den Unterricht vor. Am 12. Dezember ging es dann endlich los …

Doch „halt stopp“, höre ich den einen oder anderen sagen, „wohin soll denn dieser Kurs führen? Was ist die Mission?“ … Gut, dass ihr fragt! Eigentlich zielt der Kurs darauf ab, dass Schüler über zwei Jahre bis zum Cambridge-B2-Niveau gelangen, um anschließend Zugang zu professionellen und akademischen JWL-Programmen, höhere Erfolgschancen an örtlichen Universitäten, und größere berufliche Möglichkeiten zu erlangen. Leider hat HDC weder Platz noch Lehrkräfte für weitere Kurse, um einen ganzen Zyklus von A1 bis B2 (parallel zu den jetzigen) anzubieten. Derzeit ist nicht einmal klar, was aus dem Kurs wird, wenn ich nicht mehr da bin, …
 

Nach 8 Wochen Unterricht kann ich jedenfalls sagen, dass ich eine Leidenschaft im Englischunterrichten entdeckt habe. Meine beiden A1 Kurse bestehen aus den unterschiedlichsten Schülern: Das Altersspektrum umfasst 16- bis 40-Jährige, und viele sind noch in der Schule oder studieren. Unter ihnen sind auch eine Handvoll Mütter; eine, die ihren 1-Jährigen auch jeden Tag mit in den Unterricht bringt. Mit manchen meiner Schüler hatte ich vor dem Kurs schon eine Freundschaft und 2 von ihnen sind lustigerweise meine Gastgeschwister! Mit Gehilfen aus dem einzigen anderen Projekt, mit ausländischen Freiwilligen in der Stadt, viel Konversation und jeder Menge Spiele und kleinen Theaterstücken ist uns bisher noch nicht langweilig geworden und ich komme erstaunlich gut mit meinen Schülern zurecht. Ich selber entdecke die englische Sprache neu, da sie sich von früh an als meine Hauptlernsprache wie ein roter Faden durch meine Schulkarriere zog, von der britischen Schule im Iran, wo ich sie intuitiv lernte, bis hin zum Leistungs- und den Bili-Kursen an der Oberstufe. Auch privat war ich ja schon immer viel Englisch ausgesetzt.

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